Donnerstag, den 03.09.2020

Nachdem die Reise zum Yukon bereits auf nächstes Jahr verschoben werden musste, traf es nun auch uns und die Pionierreise zum Missouri. Die Corona-Situation machte eine Reise in die USA unmöglich, sodass sie ebenfalls aufs nächste Jahr verlegt werden musste. Doch was für ein Glück, dass Henning und Dirk kurzfristig eine ganz wunderbare Alternative für uns organisierten: eine Woche paddeln auf der Mecklenburger Seenplatte!

Es ist schon ein bisschen verrückt. Ich wollte schon seit langer Zeit ins Elbsandsteingebirge und zur Mecklenburger Seenplatte. Über beide Gegenden hatte ich schon so viel Tolles gehört. Außerdem wollte ich schon immer mal ins Karl May Museum nach Radebeul und ins Ozeaneum in Stralsund. Und alle diese 4 Wünsche sollten nun innerhalb eines Sommers wahr werden! Was für ein Geschenk. Und was für eine großartige Entschädigung für die verschobene Missouri-Reise.

 

Die Tour in Mecklenburg soll am Samstag Nachmittag beginnen. Da ich aber wie gesagt die Gelegenheit nutzen und das Ozeaneum besuchen will, fahren Mama und ich bereits am Donnerstag in den Norden, nach Stralsund.

Der Zug von Köln fährt durch, ohne dass wir umsteigen müssen. Gegen halb drei kommen wir in Stralsund an und machen uns mit unseren - für längere Wanderungen ziemlich unpraktischen - Reisetaschen auf den Weg zu unserer Unterkunft. Was gar nicht so einfach ist, denn ein Großteil der Strecke dorthin ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Für Fußgänger entdecken wir dann doch noch einen Weg, der mitten durch die Baustelle führt - allerdings über einen hügeligen Schotterweg, was das ganze Unterfangen mit unseren Taschen noch schwieriger macht. Kurz überlegen wir: Sollen wir einen Umweg machen und eine bessere Strecke suchen? Oder Augen zu und durch? Wir entscheiden uns natürlich für Letzteres. Nach ein paar hundert Metern ist die Baustrelle auch vorbei (ein ganzer Straßenabschnitt wird neu gemacht).

In der Pension angekommen, finden wir diese verlassen vor. An der Rezeption klebt ein Schild, dass gerade niemand da sei, aber im Kasten neben der Tür wären die Schlüssel für noch freie Zimmer. Man könne sich einfach eins aussuchen. Hm, wir hatten aber nun reserviert und daher sicher schon eine Zimmernummer zugeteilt bekommen. Also rufen wir an und fragen nach. Alles kein Problem, Zimmer Nr. 30, Schlüssel steckt. Okay, das scheint ja alles easy abzulaufen hier.

Die Pension erinnert mich an die Motels in Amerika, diese Zimmer im Erdgeschoss mit einem Parkplatz direkt vor der Tür. So ähnlich ist es auch hier.

Wir legen nur kurz unsere Sachen ab, dann geht es auch schon wieder los in die Stadt. Wir wollen die restliche Zeit des Tages nutzen und uns ein bisschen die Altstadt und den Hafen anschauen. Und ich habe noch etwas Besonderes vor: die Besichtigung der Gorch Fock! Der Großsegler wurde 1933 gebaut, sank 1945 und wurde 1947 gehoben und repariert. Anschließend wurde er Segelschulschiff der Sowjetunion. Inzwischen liegt der Segler vor Stralsund im Hafen, wird nach und nach saniert und soll wieder segeltauglich gemacht werden.

Im Schiffsinnern befindet sich eine kleine Ausstellung, unter anderem mit Infos zu den Schwesterschiffen. Eines davon ist die Horst Wessel, die heute den Namen Eagle trägt und zur US-amerikanischen Küstenwache gehört. Die Horst Wessel wurde bis 1945 von der deutschen Kriegsmarine als Segelschulschiff eingesetzt - und mein Opa erhielt darauf seine Ausbildung. Er hat oft von dieser Zeit erzählt, wie sie ohne jegliche Sicherung auf die Masten klettern mussten ... Wie schön, dass er vor ein paar Jahren selbst noch einmal in Stralsund war und zumindest die baugleiche Gorch Fock besichtigen konnte.

Freitag, den 04.09.2020

Nach dem Frühstück machen wir uns wieder auf zum Hafen, denn heute haben wir noch etwas Tolles vor: wir wollen ins Ozeaneum! Ich habe schon so viel darüber gehört und gelesen und wollte schon lange einmal dorthin, nun ist es endlich soweit. Als wir um halb 10 am Eingang eintreffen, ist es bereits rappelvoll. Zum Glück haben wir bereits Tickets reserviert, da aufgrund von Corona nur eine bestimmte Personenanzahl zu bestimmten Zeiten eingelassen wird. Einmal im Museum, kann man jedoch so lange bleiben wie man möchte - und das ist auch gut so, denn es gibt wirklich viel zu sehen. In der Ausstellung "Weltmeere" gibt es zum Beispiel einen Globus, auf dem das Relief der Erde ohne Wasser abgebildet ist. So bekommt man einen Eindruck davon, wie tief die Ozeane tatsächlich sind und was für beeindruckende Gebirszüge und Täler sich unter Wasser befinden.

Auch der Bereich "Erforschung und Nutzung" ist super interessant. Auf einem interaktiven Monitor erfährt man mehr über die internationale Schifffahrt, kann sich auf Karten wie wichtigsten Häfen und Handelsrouten der Welt anzeigen lassen. Erschreckend ist der Themenbereich zur Fischerei. Wenn man sich einmal genau durchliest, wie überfischt die Weltmeere sind und wie dramatisch schlecht es um die allermeisten Fischbestände bestellt ist, und wenn man sich einmal vor Augen führt, wie viele Tiere als Beifang in Netzen sterben, damit man einen Fisch auf dem Teller hat - es ist unfassbar.

Das Highlight des Ozeaneums ist aber wohl die Ausstellung "1:1 Riesen der Meere". In einer Halle hängen Walmodelle in Originalgröße von der Decke. Man kann sich darunter auf Liegestühle legen und einer kurzen aber eindrucksvollen Erzählung zu den Tieren lauschen.

Ich kann nur jedem empfehlen, das Ozeaneum einmal selbst zu besuchen!

Blick auf den Hafen und die Altstadt von Stralsund, mit dem Ozeaneum in der Mitte
Blick auf den Hafen und die Altstadt von Stralsund, mit dem Ozeaneum in der Mitte
die Pinguinkolonie auf dem Dach des Ozeaneums
die Pinguinkolonie auf dem Dach des Ozeaneums

Nach so vielen Infos müssen wir uns erstmal stärken - und landen in Tines Nudelküche. Das Restaurant ist winzig, die Auswahl dafür riesig: Wir können uns kaum zwischen den unzähligen Nudelsorten, den Soßen und Pestos und Toppings entscheiden. Zum Nachtisch gönnen wir uns noch Eis und schlendern noch einmal zum Hafen zurück. Wir laufen ein Stück am Wasser entlang aus der Stadt hinaus und können auf der anderen Seite bereits Rügen erkennen. Wir kommen an einen Strand, laufen barfuß durch den Sand und das Wasser - so kommt wenigstens noch ein kleines bisschen Ostsee-Feeling auf, auch wenn das offene Meer von hier aus noch nicht zu sehen ist.

Den Abend verbringen wir draußen vor einer Bar neben der Gorch Fock, wo eine Live-Band spielt. Auf dem Rückweg zur Unterkunft fängt es langsam an zu regnen und wir sind doch froh, bei diesem Wetter noch eine Nacht ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Ab morgen werden für eine Woche Zelt und Schlafsack unser Zuhause sein.

Samstag, den 05.09.2020

Da unser Zug erst heute Mittag fährt, wollen wir den Vormittag nutzen und noch das Meeresmuseum besuchen. Gestern hatten wir uns bereits erkundigt, ob wir für die Zeit unsere Reisetaschen dort unterstellen können - das sei gar kein Problem. Um die 2,5 km nicht mit den Taschen zurücklegen zu müssen, versuchen wir ein Taxi zu bekommen - aber keine Chance. Wir hätten es wohl vorab reservieren müssen. Aber was soll's, gehen wir halt zu Fuß.

Und wir haben Glück, dass wir jetzt noch hier sind. Denn schon bald nach unserem Besuch wird das Museum wegen einer umfangreichen Modernisierung geschlossen und erst im Frühjahr 2023 wieder eröffnet werden.

Das Meeresmuseum ist bei unserem Besuch zwar nicht ganz so modern wie das Ozeaneum, aber dadurch nicht weniger interessant. Es gibt verschiedene Aquarien und Schaukästen zu verschiedenen Themen, Lebensräumen und Tieren. Nachhaltig beeindruckt hat mich ja das Exponat einer Japanischen Riesenkrabbe - ihre vorderen Scheren haben eine Spannweite von bis zu 3,70 m ...!

Auch die Ausstellung zur Tiefsee und den Polarregionen ist super gemacht, allerdings müssen wir uns da bereits ein wenig beeilen, um pünktlich am Bahnhof zu sein.

Mit dem ICE fahren wir nach Rostock, mit dem RE weiter nach Neustrelitz und mit einer kleinen Bimmelbahn schließlich nach Mirow. Sie hat etwas richtig Nostalgisches, besteht nur aus einem einzigen großen Wagen und selbst der Fahrer hat kein eigenes Abteil. In Mirow werden wir von Gabi abgeholt. Sie nimmt auch an der Reise teil und wir hatten vorab schon ein wenig Kontakt. Als wir kurz darauf auf dem Campingplatz ankommen, lernen wir auch die anderen aus der Gruppe kennen. Klaus, unser Mitpaddler von der Elbe, ist auch wieder dabei. Und diesmal auch sein Freund Micha. Und Jasmin mit ihrem Freund, sie hat 2 Plätze für die Reise bei Tatonka gewonnen!

Der Campingplatz liegt wunderschön im Wald, direkt am Ufer des Leppinsees. Unsere Zelte sind diesmal sogar schon aufgebaut. Allerdings ist unseres so klein, dass wir unsere beiden Isomatten am Fußende falten müssen, damit sie überhaupt nebeneinander rein passen. Mit etwas Glück bekommen wir morgen ein anderes.

Ich gehe kurz zum See und bin ganz beeindruckt von der wunderschönen Landschaft, als ich die dunklen Wolken entdecke, die ziemlich schnell zu uns rüber ziehen. Und kurz darauf schüttet es auch schon wie aus Eimern. Aus Mangel an Altenativen stellen wir uns kurzerhand unter einem Nachbarzelt unter, die Besitzer scheinen gerade nicht da zu sein. Dumm nur, dass Dirk gerade das Abendessen für alle auf einem schönen Picknicktisch am See vorbereitet hatte ... das kann ja heiter werden bei dem Wetter. Aber wir haben Glück: Es hört bald auf zu regnen und wir finden einen Pavillion, wo wir bei Salat, Melone und Kuchen noch zusammen sitzen und uns alle ein wenig kennenlernen können.

Sonntag, den 06.09.2020

Die Mecklenburgische Seenplatte wird auch als das "Land der tausend Seen" bezeichnet - und das zu Recht. Genaugenommen sind es 1117 Seen, die zu ihr gehören, sowie der Müritz-Nationalpark und sieben weitere Naturparke. Man kann wandern und radfahren, vor allem aber natürlich viel Zeit auf oder auch im Wasser verbringen. Man kann Kanutouren von wenigen Stunden bis hin zu mehreren Wochen unternehmen oder mit einem Hausboot über die Seen schippern. Ich habe schon so viel Tolles über diese Gegend gehört - und bin gespannt.

Nach einem ausgiebigen Frühstück à la Dirk - mit frischen Brötchen, dem legendären Oatmeal, Müsli, Joghurt und Obst - brechen wir auf zu Paddel-Paul. Dort werden wir die Kanus in Empfang nehmen und unsere Tour beginnen. Doch zunächst steht noch einiges an Arbeit an ...

... denn der ganze Proviant und die Ausrüstung muss möglichst sinnvoll und gleichmäßig auf die Kanus verteilt werden. Vor allem am Anfang dauert es immer eine Weile, bis man die optimale Packtechnik gefunden hat. Und sie kann sich auch mit jedem Tag nochmal ändern. Doch irgendwann ist es geschafft:

Inzwischen ist es fast 15 Uhr. Es ist ziemlich frisch und sehr windig - und das bei unserer ersten Tour, das kann ja was werden ... Doch kaum sind wir auf dem Wasser, legt sich der Wind. Die Sonne scheint und es ist einfach nur herrlich!

Ich sitze hinten und bin damit Steuermann - bzw- -frau - und bin erstaunt, wie gut es klappt. Dabei merkt man schon den Unterschied zur letzten Reise: auf der Elbe hatten wir natürlich eine stetige Strömung, die hier fehlt. Hier muss man also wirklich dran bleiben, um voran zu kommen; vor allem auf den größeren Seen mit Gegenwind werden wir merken, was das heißt. Aber nun geht es erstmal über kleinere Seen, vorbei an Schilfgürteln und Seerosenfeldern. Unterwegs passieren wir immer wieder Hausboote, beobachten Kraniche und kommen an Pfahlhäusern vorbei. Und als ob das nicht schon Grund genug zur Freude wäre, wird bei einer Pause auf dem Wasser der Trailmix herumgereicht - was will man mehr ;-)

 

Unser Ziel für heute ist der Naturcampingplatz am Zotzensee. Es dämmert bereits, als wir unsere Zelte auf einer Wiese am Waldrand aufschlagen und als wir uns zum Abendessen am Picknickplatz treffen, ist es bereits stockdunkel. Kurzerhand werden ein paar Stirnlampen an einer Leine über den Tisch gespannt und alle löffeln zufrieden ihr Chili con - bzw. sin - Carne.

Montag, den 07.09.2020

Nach einem ausgiebigen Frühstück versammeln wir uns heute Morgen alle um die Karte, um die Strecke für den heutigen Tag zu besprechen. Der nächste Campingplatz ist nicht allzu weit entfernt und wenn wir direkt hin paddeln würden, wären wir in ca. 1,5 Stunden da. Also überlegen wir, ob wir einen Umweg einplanen oder direkt hinfahren, die Sachen ausladen und dann nochmal jeder auf eigene Faust für sich lospaddeln kann. Doch die Entscheidung wird uns abgenommen, als wir gerade los paddeln wollen. Der Großteil sitzt schon startklar im Boot, als Dirk uns vom Ufer aus zurück ruft. Ein Kanusitz ist gebrochen!! Was jetzt??

Wir landen alle wieder an und Dirk checkt die Lage. Es hilft nichts, das wird eine größere Operation. Er organisiert Bohrmaschine und anderes Werkzeug vom Campingplatzbetreiber und macht sich an die Arbeit.

Man hätte sich jetzt über die Verzögerung ärgern können - aber alle bleiben entspannt. Für heute war ja eh keine große Etappe geplant, wozu also der Stress? Das ist wieder einer dieser Reisemomente, wo man einfach loslassen muss. Man kann so viel planen wie man möchte, manchmal kommt es einfach anders. Und Plan B oder C muss nicht schlechter sein als Plan A. Während es sich die anderen oben beim Imbiss bei Kaffee und Kuchen gemütlich machen, setze ich mich mit meinem Buch auf den Steg in die Sonne und genieße ein handgemachtes Eis. So lässt sich die Wartezeit aushalten ;-)

Als das Kanu wieder einsatzbereit ist, ist es zu spät für die geplante Extratour, doch niemand beschwert sich. Gut gelaunt brechen wir auf.

Unser Ziel für heute ist der Naturcampingplatz von Biber Tours. Er liegt direkt im Wald und mit unseren Zelten können wir uns irgendwo hinstellen. Das nutze ich natürlich aus! Es ist gar nicht so leicht, eine einigermaßen ebene und gerade Fläche zu finden. Am Ende stehen wir ziemlich abseits direkt am Waldrand, nur Louise ist mit ihrem Zelt noch hinter uns. Mama ist nicht ganz so begeistert, aber was soll schon passieren ...

Naja, ehrlich gesagt schon so einiges. Als wir mit dem Zeltaufbau fertig sind erfahren wir, dass wir alles Essbare und alle Schuhe sowie Kleinzeugs mit ins Zelt nehmen sollen. Also ins Schlafzelt, nicht in den kleinen Vorbau! Denn hier wären in der Nacht so einige Tiere unterwegs, wie z.B. Waschbären und Füchse. Die auch in die Zelte eindringen und ... Schuhe klauen! Vor kurzem wurde ein Fuchsbau in der Nähe entdeckt, in dem sich lauter einzelne Schuhe befanden! Und erst gestern gab es wohl einen "Vorfall" mit einem neugierigen Waschbär ... Nun ja. Mama ist kurz davor, mit dem Zelt wieder umzuziehen. Aber ich finde es mal ganz spannend, wirklich mitten im Wald zu zelten. Und vor allem: Wir haben in Alaska mitten in der Wildnis gezeltet und morgens um unser Zelt herum die Spuren von Wölfen und Elchen gefunden ... da werden wir doch wohl mit Waschbären und Füchsen klarkommen ...?! Aber erstmal gibt es Abendessen, und zwar direkt am Seeufer und bei einem traumhaften Sonnenuntergang. Als es anfängt zu dämmern, entdecken wir sogar Fledermäuse.

Während wir so dasitzen, hören wir auf einmal ziemlich laute Geräusche von irgendwoher. Wir können uns die nicht wirklich erklären und uns wird, halb im Spaß und halb im Ernst, klar, dass wir hier so gar nichts davon mitbekommen, was gerade auf der Welt passiert. Klar, es gibt Corona. Und in den Waschhäusern wird auch immer brav Maske getragen. Aber sonst kommen wir uns hier vor, als wären wir meilenweit weg von allem. Als würde uns das da draußen alles nichts angehen. Es könnte ein Krieg ausbrechen, wir würden es nicht mitbekommen. Schon erstaunlich, dass sich nach nur wenigen Tagen auf einer Kanutour mitten in Deutschland ein solches Gefühl einstellen kann.

So schön dieser Abend auch ist, irgendwann ist es Zeit und wir machen uns auf den Weg zu unseren Zelten. Es ist stockdunkel und wir sind froh über unsere kleine Stirnlampe. Jetzt in der Dunkelheit wird Mama nochmal nervös. Wenn nun doch der Fuchs kommt? Und überhaupt ... Ich versuche mein Bestes sie zu beschwichtigen, frage mich aber auch was passiert, wenn wirklich ein Tier unter der dünnen Plane in unser Vorzelt kriecht - und dann nicht mehr raus kommt?? Ich stelle es mir bildlich vor: Wir gefangen im Schlafzelt, davor der Fuchs ... Sicherheitshalber nehmen wir alles was geht mit rein und binden alles andere aneinander, in der Hoffnung, dass es niemand wegschleppen kann. Aber ach, es wird schon nichts passieren ... denke ich noch und mache das Licht aus. Ungelogen keine 5 Minuten später ein Rascheln und Kratzen links an der Zeltplane. Erst bin ich ruhig und lausche. Doch da ist es wieder. Nun wird mir doch etwas mulmig und ich bewege mich laut im Zelt. Alles ruhig. Dann noch einmal am Fußende und ein Rascheln auf meiner Seite. Na das kann ja heiter werden ...! Kurz darauf ertönen die Rufe der Nachtvögel. Vielleicht sind es auch gar nicht alles Vögel, sondern auch andere Tiere ... Welche Geräusche machen nochmal Füchse? Und Waschbären? Und Marder und Wiesel und was es hier sonst noch gibt? Es ist irgendwie schon traurig, wie sehr wir Menschen uns im Laufe der Zeit von der Natur entfernt haben, dass sie uns so unheimlich erscheint.

Für mich ist die Nacht im Wald auf jeden Fall ein Highlight der Reise. Und am nächsten Morgen sitzt auch kein Fuchs im Vorzelt - auch wenn es da nochmal kurz an der Plane geraschelt hat ....

Dienstag, den 08.09.2020

Heute Morgen ist es recht windig und als ich mein Oatmeal kurz auf einem Baumstumpf abstelle muss ich aufpassen, dass es nicht weggeweht wird. Nach dem Frühstück machen Mama und ich noch einen kurzen Spaziergang durch den Wald. Direkt hinter unserem Zelt beginnt ein Pfad und führt am Seeufer entlang. Allzu viel Zeit haben wir allerdings nicht, dann müssen wir umkehren und die Boote für die nächste Etappe beladen.

Als wir losfahren, legt sich der Wind. Die Strecke ist wieder wunderschön. Wir folgen mit Seerosen und Schilf bewachsenen Flussläufen über kleinere Seen und Teiche. Dirk nutzt die Kulisse für ein paar Fotoshootings. Bei der anschließenden Pause auf dem Wasser gibt's zur Belohnung Trailmix und andere Leckereien und alle sind so darin versunken, dass uns erst reichlich spät auffällt, dass ein Boot fehlt ...! Kurz darauf kommen die beiden aber auch schon zurück gepaddelt. Sie waren voraus gepaddelt und hatten von der Pause nichts mitbekommen. Als wir nicht nachkamen, haben sie auf uns gewartet ... Das schlechte Gewissen überkommt uns alle und sie werden mit Trailmix und Keksen überhäuft.

Kurz bevor wir unser heutiges Ziel erreichen, gelangen wir über einen schmalen Kanal auf einen kleinen See. Eigentlich ist es mehr ein Teich. Die Ufer sind fast vollständig zugewachsen und wir müssen vorsichtig durch Seerosenfelder manövrieren. Es ist wunderschön und scheint total versteckt. Nie würde man vermuten, dass nur wenige hundert Meter dahinter eine Straße verläuft ... Aber der Reihe nach. Wir folgen einem zweiten Kanal aus dem See heraus. Dieser ist sehr schmal und flach und endet nach wenigen Metern an einem Steg. Wir haben unser heutiges Ziel - fast - erreicht: den Kanuhof Wustrow. Doch der Campingplatz liegt ein paar Meter entfernt auf einer Wiese, also müssen wir zunächst die voll beladenen Kanus mit einem Bootswagen dorthin transportieren. Auf jeder Seite 6 Leute, 1 - 2 - 3 - hoch! - und ab geht's. Im Gänsemarsch schieben und ziehen wir die Kanus eins nach dem anderen aus dem Wasser und die paar hundert Meter bis zu unserem Zeltplatz und versuchen, unserem Vordermann - bzw. unserer Vorderfrau - nicht in die Hacken zu treten. Auf dem Weg zu unserem Platz müssen wir jedes Mal an einer Gruppe Herren vorbei, die bereits mit Bierchen in Campingstühlen vor ihren Zelten sitzen und uns beim Schleppen beobachten. Da wir die Prozedur insgesamt sieben Mal wiederholen müssen, bis alle Boote da sind, wird das sowohl für sie als auch für uns recht amüsant. Wobei auch ich jedes Mal schmunzeln muss, wenn wir die Boote umtragen müssen: Das Ganze erinnert doch sehr an den Film "7 Zwerge" mit Otto Waalkes, als die Zwerge gemeinsam den Baumstamm transportieren und dabei singen: "Hey Zwerge, hey Zwerge, hey Zwerge, ho!" ... oder so in der Art jedenfalls. Wer jetzt kein Bild vor Augen hat, einfach mal bei Youtube suchen ;-)

Der Campingplatz ist zwar sehr klein und besteht im Grunde nur aus einer Zeltwiese, aber er ist superschön. Überall stehen kleine Obstbäume, unter denen wir Tische und Stühle aufbauen, die wir uns dort leihen dürfen. Das Wetter ist toll und auch als es längst dunkel ist, sitzen wir noch draußen. Wir bewundern den grandiosen Sternenhimmel und unterhalten uns über dies und das. Dabei kommt zum Beispiel raus, dass Gabi genau wie ich an der TH Köln studiert hat, und zwar im gleichen Studiengang und mit den gleichen Schwerpunkten! Das alles allerdings rund 30 Jahre früher als ich ... Schon verrückt irgendwie.

unser Camp
unser Camp
Das ist er - der legendäre Monster-Trailmix!
Das ist er - der legendäre Monster-Trailmix!

Mittwoch, den 09.09.2020

Heute beginnt der Tag mit einer Extraportion Frühsport. Bevor wir los können, müssen wir die Boote ein paar hundert Meter zur Einsatzstelle transportieren. Das heißt: Kanus beladen, auf den Bootswagen heben und wieder mit alle Mann losmarschieren - hey Zwerge ho. Allerdings wird es noch abenteuerlich: Wir müssen über den Zeltplatz, links um die Kurve, mit Schwung den Berg hoch - und dort oben die Straße überqueren. Zur Sicherheit stellen wir dort einen Wachposten ab, damit wir nicht mit Vollgas in den Verkehr rauschen. Der hier aber gerade zum Glück sehr überschaubar ist. Auf der anderen Seite geht es dann bergab und hinunter zum Steg. Es dauert eine Weile, bis alles parat ist, aber irgendwann ist es geschafft und die nächste Etappe kann beginnen.

Irgendwann biegen wir von einem größeren See in einen sehr schmalen und sehr flachen Fluss ein. Es ist eher ein Flüsschen und irgendwann so flach, dass wir aussteigen und die Boote schieben und ziehen müssen. Wo noch eine gewisse Menge Wasser unterm Kiel ist geht es ganz gut, aber stellenweise ist es echt anstrengend, die voll beladenen Boote vorwärts zu bekommen. Allein ist es kaum zu schaffen, aber alle helfen sich gegenseitig. Das Wetter ist schön und das flache Wasser nicht allzu kalt und alle sind bester Laune und freuen sich über das kleine überraschende Abenteuer. Wir beschließen, auf dem kleinen Flüsschen eine Pause zu machen und ziehen die Boote an die Seite, sodass die anderen Kanus, die uns hier passieren, vorbei können. Auf einem unserer Boote hat Dirk die Snacks aufgebaut: Kekse, Trailmix und andere Leckereien. Natürlcih bieten wir den "Passanten" etwas an, die sich über die kleine Stärkung freuen. Irgendwann kommen uns welche aus der anderen Richtung entgegen die lachend erzählen, dass sich auf dem Fluss schon rumgesprochen hat, dass es hier so einen "Trailmix" geben soll! :-) Und einmal kommen welche zurück, die uns bereits passiert hatten. Ob sie sich wirklich verfahren hatten? Oder doch eher nochmal an der Snackbar vorbei wollten? ;-)

Wir müssen die Boote noch unter einer niedrigen Holzbrücke hindurch ziehen, dann können wir bald wieder einsteigen und paddeln. Was aber nicht heißt, dass es einfacher wird. Wir folgen einem weiteren Fluss, der zwar tiefer, aber nur ein wenig breiter ist. Dafür sind die Ufer dicht bewachsen und die Äste und Sträucher ragen teilweise weit in den Fluss hinein. Zusätzlich schlängelt sich der Fluss in unzähligen Kurven durch die Landschaft, sodass es echt eine Herausforderung wird, gerade in der Flussmitte zu bleiben. Und wenn man einmal im Gebüsch hängt, kommt man nicht mehr raus ... Irgendwann kann ich vor Lachen nicht mehr paddeln und lenken und wir rauschen von einem Gestrüpp ins nächste. Die anderen sind bereits nicht mehr zu sehen, aber wir haben Spaß. Also, ich zumindest. Mama sitzt ja vorne und kriegt oft so einiges an Ästen ab ... Aber irgendwann entdecken wir das Kanu mit Klaus und Micha, die sich schon Sorgen um uns gemacht und gewartet haben.

Bald erreichen wir den recht großen und lang gezogenen Woblitzsee, an dessen anderem Ende unser Ziel für heute liegt: der Camping- und Ferienpark Havelberge. Das ist ein ziemlich großer und terrassenförmig angelegter Platz, auf dem auch viele Wohnwagen und Wohnmobile stehen. Dirk muss erstmal auskundschaften, wo wir mit unseren Booten anlanden dürfen und so warten wir alle an einer der Anlegestellen. Und warten und warten, denn der Platz ist wie gesagt groß. Dummerweise befindet sich genau nebenan ein Imbiss, von dem intensiver Pommesgeruch herüberweht - die ein oder anderen sind kurz davor, rüberzulaufen. Doch dann kommt Dirk zurück und wir müssen noch einmal um eine Kurve zu unserer Zeltwiese paddeln. Dort können wir die Boote an Land tragen und am nächsten Morgen direkt auf der Havel weiterfahren, die hier in den See mündet.

Dirk hatte sich auch erkundigt, wo wir hier Trinkwasser bekommen. Die Frau an der Rezeption hatte ihn verständnislos angeschaut. "Tja", meint Dirk nur, "so ist das immer, wenn Vatti aus der Wildnis kommt ...!"

Das Abendessen gibt es wieder an einem Picknicktisch direkt am See. Als wir zum Abwaschen gehen, staunen wir nicht schlecht: hier gibt's sogar eine Spülmaschine! Und auch die Duschen sind nobel: Duschmarken waren gestern, hier gibt's eine Chipkarte, die man aufladen und dann an ein Lesegerät halten muss.

Als wir später im stockdunklen Zelt liegen, merke ich, wie mir etwas über den Hals krabbelt. Ich schreie nicht und mache die Stirnlampe an. Und sehe, wie eine nicht ganz so kleine Spinne neben mir die Zeltwand hochkrabbelt ... Ich hab ja nix gegen Spinnen, aber so im Dunkeln im Gesicht und wenn ich nicht weiß wo sie sind ... zum Glück ist mein Zahnputzbecher schnell zur Hand und die Spinne draußen.

Donnerstag, den 10.09.2020

Wieder haben wir riesiges Glück mit dem Wetter: Gestern Abend hatte es angefangen zu regnen, aber erst, als wir gerade im Zelt lagen. Heute Morgen ist wieder strahlend blauer Himmel und wir frühstücken direkt am Seeufer in der Sonne. Herrlich!

Anschließend geht es wieder ans Beladen der Kanus. Mit der Zeit entwickelt sich immer mehr Routine und es geht immer schneller. Ein bisschen besorgt sind Mama und ich allerdings: Die Vorräte werden ja immer auf alle Kanus verteilt und seit ein paar Tagen haben wir einen riesigen Karton mit rohen Eiern bei uns im Boot. Jeden Abend hoffen wir, dass es die endlich zum Abendessen gibt - bisher ohne Erfolg.

Vorbereitung zur Abfahrt
Vorbereitung zur Abfahrt

Wir folgen der Havel bis zu einem weiteren See und gelangen an eine Schleue. Wir hatten ja schon einige passiert, hier ist es allerdings ein bisschen anders: Es ist nicht generell ein Schleusenwärter anwesend, sondern er muss erst angerufen werden. Klaus und Micha wollen so lange nicht warten und testen in der Zeit den Bootswagen, der auch zur Verfügung steht. Wie eine Lore befindet er sich auf Schienen, sodass das Kanu auf diesen bis zur nächsten Einsatzstelle geschoben werden kann.

Nach der Schleuse entdecken wir bald ein Schild, dass darauf hinweist, dass nun der Müritz-Nationalpark beginnt. Wir queren wieder einen größeren See und fallen immer weiter zurück. Die anderen können wir gerade noch so sehen und wir beeilen uns, damit wir die nächste Flusseinfahrt nicht verpassen. Kurz dahinter warten aber alle und wir schließen auf. Der Fluss ist wieder recht schmal aber wunderschön.

Irgendwann müssen wir in einen noch schmaleren und wieder sehr flachen Kanal abzweigen. Und da er so extrem flach ist auch wieder aussteigen und die Boote zusammen ein paar hundert Meter schieben und ziehen. Hinter uns treffen 2 andere Kanuten ein, die mit einem wunderschönen Holzkanu unterwegs sind.

Der Kanal mündet in einem kleinen See, dem Jamelsee. Und gegenüber liegt unser Campingplatz für heute Nacht, der "Campingplatz Zum Hexenwäldchen". Hier wird uns dann auch klar, dass wir uns in einer Sackgasse befinden ... und am nächsten Morgen die Boote wieder über den Kanal zurück zum Fluss werden ziehen müssen ... Aber erstmal sind wir hier. Auch dieser Platz ist wieder wunderschön und die Besitzer sehr nett. Allerdings wird hier auf eine Sache extrem viel Wert gelegt: Um 10 Uhr ist Nachtruhe! Und das heißt WIRKICH RUHE!! Ab da darf nur noch leise geflüstert werden und wer sich nicht daran hält, wird sofort ermahnt. Auch sonst ist der Name bei diesem Campingplatz Programm: Hier und da stehen aus Holz geschnitzte Figuren und die Rezeption ist mit Hexen "geschmückt". Wie gut, dass ich erst am nächsten Morgen erfahre, dass hier an diesem Ort früher tatsächlich Hexen verbrannt wurden ... Die Waschräume sind allerdings der Hit: Super schön gestaletet mit Mosaik an den Wänden, hübsche Waschbecken und Duschen, bei denen das Wasser wie Regen von der Decke rieselt - dabei Hintergrundmusik mit Vogelgezwitscher wie aus dem Urwald.

Freitag, den 11.09.2020

In etwa einer halben Stunde kann man einmal um den Jamelsee herumlaufen, was Mama, Gabi, Louise und ich nach dem Frühstück noch machen. So sehen wir auch ein bisschen was von der schönen Umgebung. Der Pfad führt durch den Wald und über eine kleine Holzbrücke, unter der wir später wieder unsere Kanus hindurch ziehen müssen. Überall wachsen interessant aussehende Pilze und es sind sogar Pilzsammler unterwegs.

Wir folgen wieder wunderschönen Flussläufen durch Wälder und Wiesen. Und kommen schließlich an eine Stelle, wo wir die Boote wieder mit einem Bootswagen auf Schienen bis zur nächsten Einsatzstelle schieben müssen. Als alle Boote auf der anderen Seite sind, nutzen wir die Gelegenheit für eine Mittagspause - denn ganz in der Nähe gibt es einen Imbiss. Bei Kaffee und Kuchen bzw. Pommes genießen wir die Sonne und paddeln anschließend frisch gestärkt weiter. Bald darauf landen wir an - und können unsere angefutterten Kalorien wieder loswerden. Wir müssen noch eine weitere Stelle umtragen. Es gibt zwei Bootswagen, auf die je 4 Kanus passen. Diese verlaufen wieder auf Schienen von einer Einsatzstelle zur anderen. Die voll beladenen Kanus hochzuheben und auf einen normalen Bootswagen zu hieven ist schon nicht leicht; nun müssen wir sie auch noch hochwuchten, die voll bepackten Wagen mehrere hundert Meter weit schieben und am Ziel die Boote wieder abladen und zum Wasser tragen. Eine der Reiseteilnehmerinnen hatte die Reise ja gewonnen und irgendjemand fragt scherzhaft, wie es denn so sei, eine Reise mit Tatonka zu gewinnen ...? ;-)

Nun heißt es Endspurt, die letzten Kilometer unserer Reise brechen an. Wir folgen den Flussläufen bis zum Käbelicksee, an dessen Ende unser letzter Campingplatz liegt. Und dort muss dann alles recht schnell gehen. Als wir anlanden ist gerade noch Zeit für ein paar Gruppenfotos, dann müssen wir die Boote entladen und sauber machen. Kurz darauf erscheint auch schon ein Mitarbeiter von "Paddel Paul", um Kanus und die geliehene Ausrüstung zu verstauen und zurück zu bringen. Wir bauen die Zelte auf und sitzen anschließend zu einem letzten gemeinsamen Abendessen zusammen.

Samstag, den 12.09.2020

Es ist kaum zu glauben: zum Früstück macht Dirk für alle Bratkartoffeln - mit Ei! Ja genau - mit den Eiern, die wir einen Großteil der Strecke bei uns im Boot hatten! :-) Aber immerhin - sie sind bis zum Schluss ganz geblieben.

Nach dem Früstück brechen die ersten auf. Der Bahnhof von Kratzeburg liegt ganz in der Nähe und auch wir fahren von dort mit dem Zug über Berlin zurück.

 

Es ist komisch, wieder in der "Zivilisation" zu sein. Mit anderen Menschen ganz normal in der Bahn zu sitzen. Es kommt mir vor, als wären wir eine Woche in einer komplett anderen Welt gewesen. Auf der Elbe war es irgendwie anders, da kamen wir immer wieder durch größere Orte und machten Stopps an Sehenswürdigkeiten - oder Eisdielen ;-) Aber hier ... hier waren wir eine Woche wirklich "draußen".

 

Ich bin gespannt, ob die Reise zum Missouri im Herbst 2021 stattfinden kann. Sie wurde verschoben und der Flug ist umgebucht, aber man wird sehen. Umso dankbarer bin ich, dass wir dieses Jahr gleich zwei so tolle, besondere und ungewöhnliche Reisen machen durften. Auch hier in Deutschland gibt es noch so viel zu entdecken!